urban E
Manfred Wolff-Plottegg

Gastseminar TU-Wien 1999/2000
Institut f. Gebäudelehre & Entwerfen
 
 


urban E / forward planning - zur Methode

(was geschieht, wenn man das Insel-Denken verläßt)

Manfred Wolff-Plottegg
 

Der Entwurfs- und Planungsprozeß im Rahmen des Entwerfens simuliert real-life Vorgänge, dh. auch auf Übungsebene erfolgt die Planung nicht "vom grünen Tisch / ex cathedra", es wird nicht von außen "aufgepropft / implementiert".

Im real-life gibt es ständig Änderungen, Adaptierungen, Einflußnahmen, Interaktionen, Interventionen, Intrigen, Interessenskonflikte und -abwägungen, Entwicklungsprozesse. Daher ist es absurd, daß der klassische Planungsablauf ungestört und deterministisch sein will, heute festlegt, was morgen gebaut wird, was möglichst lange bestehen soll. Ein Weg die Architektur zu beschleunigen ist, die Planung zu dynamisieren.

In der forward-planning Methode wird nicht (wie üblich) von der ersten Idee bis zum "fertigen Projekt" linear vorgegangen, von einem Maßstab zum nächst größeren - Vorentwurf, Entwurf, Einreichung, Detail- Ausführungsplanung, etc. wie in der Gebührenordnung für Architekten vorgesehen - wobei das fertige Projekt sich vom Ausgangskonzept eigentlich nur durch höhere Ausarbeitung unterscheidet. Bei der forward-planning Vorgangsweise wird permanent verändert - nicht im Sinne einer Fehlerkorrektur oder Verbesserung (Weltverbesserung), sondern wegen sich ständig ändernder Umgebungsvariablen, aufgrund von Wachstum, oder Funktionsänderungen.

Aus der Sicht der Architekturtheorie wird dabei von der starren Bildhaftigkeit (Objekt, Proportion, Ästhetik) der traditionellen Architektur abgegangen, und zur Steuerung von (urbanen, architektonischen, baulichen) Prozessen übergegangen. Gebäudelehre wird nicht mehr als objektbezogen (Funktion, Struktur, Typologie) verstanden, sondern als Verfahrensweise, Regel, (Planungs-) Methode. Die Funktion der "Funktion in der Architektur" ist nicht mehr Objekt & Form, aber immer mehr der Prozeß. Das gegenständlich Gebaute ist nicht Ziel, sondern ggf. Folge. Gebäude verändern sich (vgl.: Stewart Brand: "how buildings learn") und auch architekturgeschichtlich kann festgestellt werden: nach der traditionellen Baukörper-Architektur (Volumen/ Masse) und folglich der Struktur-Architektur planen wir heute Informations-Architektur. Gebaute Architektur wird zum Fleisch für das wireframe- Modell der Realität. Die Theorie des mapping/merging/morphing verschiedener elektronischer, physikalischer und sozialer Räume ineinander als neuer "Ort" der Architektur liegt dem Konzept von virtual und real life space zugrunde. Nach der rigiden, deterministischen Endzustandsplanung und nach den Konzepten zur Entwicklungszustandsplanung, wird nun eine Architektur der Prozeßsteuerung formuliert und somit erfolgt der Übergang zu Architektur-Algorithmen, autokatalytischer und genetischer Architektur.

Der Entwurfsablauf ist methodisch (didaktisch) derart konfiguriert, daß diese dynamischen Vorgänge simuliert werden. Anstelle der üblichen Angaben (Raumprogramm, Situierung etc.) werden Planungsalgorithmen vorgegeben und natürlich wurde diese Grundannahmen im Laufe des Semesters selbst auch modifiziert.

Das Planungsgebiet (Prater) ist kein Privatgrundstück mit individueller Fragestellung. Im Mittelpunkt steht daher nicht die singuläre Einzelleistung (auratisches Objekt / charismatischer Demiurg), sondern ein dynamischer Austausch: Städtebau ist öffentlich, "urban entertainment" ist öffentlich, die Planung, die Methode ist öffentlich - und alles ist im www. Daher sind auch öffentliche, offene Räume, die von mehreren / vielen Personen gleichzeitig / kollektiv benutzt werden, das (funktionelle) Thema: "urban E"

Für die Entwurfsübung wurde vorerst über das gesamte Planungsgebiet ein Raster mit 200x200 m gelegt. 


Die Grenzen der Rasterfelder sind "weich", ein Projekt kann bei Bedarf auf ein benachbartes Rasterfeld übergreifen. Jeder Teilnehmer wählt ein Planungsgebiet (= ein oder mehrere Rasterfelder), entwickelt ein Konzept zum Thema "urban entertainment" und ladet es ins Internet. Der Planungsprozeß kann anhand dieses hypothetischen Rasters auf dem Internet-Site zum Entwerfen verfolgt werden. Die Summe aller Anmeldungen und ihre Verteilung im Raster ergibt bereits eine erste städtebauliche Agglomeration.

Um zu demonstrieren, daß die Projekte orts-unabhängig sind, kann die Situierung jederzeit geändert werden. Die Projektideen aller Teilnehmer zu einem Rasterfeld können gebrowst werden, sie sind neue Umgebungsvariablen, die berücksichtigt werden können. D.h. ein Projekt kann sich mit anderen Projekten verbinden, verschneiden, überlagern, verdrängen etc. (vgl. game of life), wodurch sich der ursprüngliche "Vorentwurf" ändert.

 

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Nach diesem merge / morph wird das Projekt unter dem Gesichtspunkt des "Wachstums" weiterbearbeitet. Was bedeutet es, wenn einzelne Komponenten des Entwurfs sich vergrößern, welches Entwicklungspotential steckt im Entwurf, wann verliert er seine Kontur und wird zu etwas Neuem?

Hernach wird das Projekt - wenn es nicht schon längst geschehen ist - unter dem Gesichtspunkt des "Umnutzung" weiterbearbeitet. Was bedeutet es, wenn neue funktionelle Anforderungen an den Entwurf gestellt werden, welches Entwicklungspotential steckt in dieser Hinsicht im Entwurf, mit welchen Funktionen wäre er "verträglich", wie kann er sich transformieren?

Die zusammengesetzte Version aller individuellen Arbeiten (bzw. mehrere alternative Versionen in unterschiedlichen Kombinationen) ergibt schließlich einen Mikrozensus-Vorschlag der planenden StudentInnen über eine mögliche Entwicklung im Prater.
 
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Ausstellung der Beiträge April 2000   /   Inst. f. Gebäudelehre & Entwerfen   /   TU-Wien Karlsplatz /

Ausgewählte Arbeiten von:
Christian Drexler, Christoph Falkner, Georg Hurka, Christina Linortner, Urlrike Neureiter, Dietmar Offenhuber, Ulrike Pitro, Markus Rietzler, Claudia Seidl, Gerhild Schremmer, Christian Schwarz, Georg Unterhohenwarter, Natalie Waldau, Fook-Wei Yeoh, Katja Zimmermann
Betreuende Assistenten:
Andrea Kocevar, Christian Kühn, Michael Diem

Publikation in: ARCHITEKTUR & BAUFORUM 207 /2000

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urban E
the method of forward-planning
(what happens if you eliminate thinking isles)

The design process in the studio simulates real-life procedures, i.e. even on the level of the studio designing is not "from the desk / ex cathedra", nothing is to be implanted from exteriour.

In real-life is established by permant changes, adaptions, influences, interaktions, interventions, intrigues, conficts and evaluation of interests, processes of developement. Therefore it is absurd, that the classic design wants to be undesturbed and deterministic, that it wants to fix today, what will be built tomorrow, what should be everlasting. To accelerate architecture design must be dynamised.

The forward planning method is not (as usual) linear from the first scetch to the "finished project", from one scale to the next bigger - preliminary design, ........... etc. as used in the Gebührenordnung, -  where the finished project differs from the beginning only in the extent of details. The forward planning process is modifying permanently - not in the sense of correcting errors or of improvement (improvement of the world), but on behalf of pemanent changes of surrounding variables, growth or changing of functions.

As seen from the point of view of theory of architecture the rigid images (object, proportion, aestetics) of traditional architecture becomes abandomed and shifted towards the control, steering of (urban, architectonic, building) processes. Building science is not understood as objectrelated (function, structure, typology) any more, but as mode of procedure, as (planning) method. The function of "the function in architecture" is not the object / form any more, but rather the process. The objectlike built is not the aim, may be the result. Buildings are changing (ref. Steward Brand: "how buildings learn") and the history of architecture confirms: after the traditional building-body-architecture (volume, mass) and subsequent the structureal architecture, we are nowadays designing information-architecture. Built architecture becomes the flesh for the wireframe-model of the reality. The theory of mapping / merging / morphing different electronic, physical and social spaces together as new "site" of the architecture is basis for the concept of virtual&real-life space. Thus - after the rigid, deterministic design of definite conditions, and after the concepts for the design of developments - the transition to an architecture of process-design is formulated and thus the transition towards architecture-algorithms, towards autocatalytic and genetic architecture takes place.

These dynamic events are simulated by the methodic and didactic procedure for the design studio. Instead of the usual settings (programm of functions, location, site etc.) algorithms for designing are provided - and naturally are to be modified while the work is developing.

The area of planning (Prater) is not a private site with individual questioning. Therefore the center of interest is not a detached singularity (auratic object, charismatic demiurg), but a dynamic interchange: urbanism is public, "urban entertainment" is public, the planning, the method is public - and everything is in the web. Therefore public & open spaces, which are to be used simultaneously / kollectively by several / many people, are the (functional) plot of "urban E".

For the design studio the planning area became overlayed with a grid of 200x200 m. The edges of the cells are to be smooth, that a project may swap to a neighbouring cell. Each of the participants chooses a site (one or several cells), develops a concept for the topic "urban entertainment" und loads it up into the web. Thus the design process can be followed in the hypothetic web at the internet-site. The sum of all registrations and their distribution in the grid shows a preliminary urban agglomeration.

In order to demonstrate that the projects are independent from the site/place, the location may be changed at any time. The contributions of the participants in a cell can be browsed by anyone, thus becoming new variables of the surrounding, which can be taken into account: ie. a project can be connected, overlayed, moved, intersected, merged, displaced, etc (ref. game of life) with others, thus modifying the preliminary design.

After this merge/morph the project is treated with the item of "growth". What does it effect, if particular components of the design are growing, which developing potential is in the design, when does it loose ist shape and becomes something new?

Then - if it did not happen up to now - the project becomes treated with the item of "change of function". What does it effect, if new functional criteria are overlapping the design, does it cope, how design transforms to redesign?

The composition of all "individual projects" (several alternative versions in different combinations) finally show a microcensus-design of the design-students for a possible development in the Prater.


*** lectures ***