1.) Feststellung:
Das Medium Architektur ist langsam, die Architekten sind langsam.
200 Jahre nach Beginn des Maschinenzeitalters wird die Maschinentechnologie
in der Architektur erst punktuell eingesetzt. Die neuen Systemtheorien
des 20. Jahrhunderts, der Computer udgl. werden von der Architektur noch
überhaupt nicht wahrgenommen.
Daher kann keine Rede davon sein, daß Architektur in irgeneiner Art
und Weise seismographisch wäre.
2.) Frage:
wenn Architektur lt. 1.) nicht seismographisch ist, könnte
man sich die Frage stellen: Sollte Architektur seismographisch sein?
Es ist weitverbreiteter Usus der Architekten, jeden kleinsten Entwurfsgedanken von etwas ableiten zu wollen. Sie stierln am Grundstück, im Umfeld herum, und wenn sie dort nichts finden, in der Geschichte, in der Soziologie, in der Kunst, im eigenen Bauch ... ; Derivative Architektur gibt vor, vom Bauplatz, von der Landschaft, von der individuellen Befindlichkeit ... auszugehen, zumindest wird Architektur als Verbesserung von vorhergehenden Zuständen verstanden. Derivative Architektur ist der verkrampfte Versuch sich mit linearen Abhängigkeiten (Argumentationsketten) über den Mangel an Systemverständnis, über den Mangel an Kreativität hinwegzuturnen. Was unter diesen Aspekten bisher herausgekommen ist, ist ohnehin bekannt: Landauf, landab miserable Architektur. (Sollte hierin ein bischen Seismographie zu finden sein, ist das schon ein gewichtiger Grund, daß Architektur nicht seismographisch sein soll.)
Es ist eine einfältige Vorstellung, daß Architektur eine gequantelte Reaktion auf irgendwelche Entwicklungen sei. Es ist ziemlich reaktionär und unselbständig immer hinten nach (bzw. vorauseilend) quasi mit heraushängender Zunge auf Allfälliges reagieren zu wollen! Die Seismographen-Theorie ist zwangsläufig retrospektiv, Architektur sollte sich nicht als Darstellung, Komentar, Verbesserung verstehen. Es ist wieder einmal Zeit, daß sich die Architektur wieder etwas emanzipiert.
3.) Eine autonome Architektur ist autokatalytisch und
schnell.
Die Seismographen-Theorie hat - wie ein abgerissener Kondensstreifen
- immer das Nachschauen.